Ein Reihe von empirischen Studien zeigt, dass die Politik in den Vereinigten Staaten zugunsten der sozial Bessergestellten verzerrt ist, weil politische Entscheidungen den Präferenzen der Reichen entsprechen, wohingegen die der Mittelschicht und der Armen weitgehend ignoriert werden. Diese Forschungsergebnisse haben zu einer angeregten Debatte über mögliche Ursachen für diese Schieflage geführt. Dabei verweisen bisherige Studien immer wieder auf Besonderheiten des politischen Systems der USA – vor allem auf die Finanzierung von Wahlkämpfen durch private Spenden. In diesem Discussion Paper greifen wir die amerikanische Debatte auf und fragen, ob auch in Deutschland ein ähnliches Muster ungleicher Responsivität zu beobachten ist, obwohl das Land insgesamt egalitärer ist und Wahlkämpfe in höherem Maß öffentlich finanziert werden. Wir analysieren einen neu erstellten Datensatz, der mehr als 800 Fragen aus repräsentativen Befragungen enthält, die zwischen 1980 und 2013 erhoben wurden. Alle von uns untersuchten Fragen behandeln konkrete Sachentscheidungen, die jeweils zu der Zeit öffentlich diskutiert wurden, sodass wir eine große Bandbreite an politisch relevanten Themen abdecken können. Unsere Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen politischen Entscheidungen einerseits und den Präferenzen der Einkommensreichen andererseits, aber keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang mit denen der Armen. Das Muster ungleicher Repräsentation in Deutschland ähnelt dem der USA, obwohl beide Länder sich institutionell stark unterscheiden. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir am Ende des Aufsatzes andere Erklärungsfaktoren für ungleiche Responsivität.
12.6.2018