Wenn Forschungsergebnisse zum Politikum werden

Im Juni 2016 haben Lea Elsässer, Svenja Hense und ich einen Forschungsbericht fertiggestellt, für den uns das BMAS den Auftrag erteilt hatte. Dieser Bericht wurde ohne unser Zutun am 15. und 16. Dezember zum Politikum, da ein Artikel der Süddeutschen Zeitung aufdeckte, dass der aktuelle Entwurf des 5. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung zentrale Passagen aus unserem Forschungsbericht nicht mehr enthielt. In einer vorherigen Fassung waren diese noch enthalten gewesen. Der SZ-Beitrag löste eine Welle von weiteren Meldungen aus, und zahlreiche Journalistinnen und Journalisten wollten mehr erfahren (ein gute Zusammenfassung der Diskussion findet sich hier). Dabei wurden unsere Ergebnisse nicht immer ganz zutreffend geschildert. In unserem Forschungsbericht zeigen wir, dass politische Entscheidungen weit häufiger mit den politischen Präferenzen von Haushalten mit hohem Einkommen übereinstimmen als mit denen von armen. Dies wurde so noch nie für Deutschland nachgewiesen und verliert nicht seinen Wert, weil manche dies geahnt haben. Dabei beruht unsere Studie auf den DeutschlandTrend-Daten, die seit 1998 monatlich erhoben werden und mit denen die deutsche Bevölkerung repräsentativ erfasst wird. Die von uns ausgewerteten Daten erlauben es, Aussagen über Meinungsunterschiede zwischen Einkommens-, Berufs- und Bildungsgruppen zu treffen und diese anschließend mit politischen Entscheidungen abzugleichen. Materiell Bessergestellte vertreten im Durchschnitt wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch liberalere Positionen als ärmere Gruppen. Im gesamten Projekt, zu dem zwei Dissertationen verfasst werden, werten wir mehr als 800 Sachfragen aus, von denen etwa 250 in den Bericht für das BMAS eingeflossen sind. Das geschilderte Muster ungleicher Responsivität bestätigt sich allerdings auch, wenn alle 800 Fragen ausgewertet werden.

Nicht untersucht haben wir – da dies nicht Teil unseres Forschungsauftrags war –, wie der von uns nachgewiesene Zusammenhang zustande kommt. Wir wollten zuerst wissen, ob überhaupt eine ähnliche politische Ungleichheiten besteht, wie sie amerikanische Studien für die USA zeigen. Dass eine winzige Schicht der Superreichen die Politik bestimmt, sagen wir nicht – die Superreichen werden in repräsentativen Umfragen ohnehin nicht erfasst. Für die Demokratie bedenklich sind die Ergebnisse dennoch. Zeigen sie doch, dass das Gefühl von Menschen mit geringem Einkommen, nicht gut repräsentiert zu werden, eine rationale Grundlage hat, während Bessergestellte eine höhere Übereinstimmung zwischen ihren politischen Anliegen und den getroffenen Entscheidungen feststellen können.

17.12.2016